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DAS LAUFRAD DES MICHAEL KAßLER UND SEIN ERBAUER

ZUSAMMENHÄNGE

Im Stadtwappen von Braunsbedra verweisen ein Pflug und ein Rad auf zwei Erfindungen, die hier gemacht worden sind: Auf den ersten eisernen Kipp-Pflug von Eduard Dörge um 1880 in Bedra und auf das Laufrad des Michael Kaßler um 1761 in Braunsdorf. Diese beiden Erfindungen und ihre Entstehungsgeschichten waren früher im Geiseltal sehr bekannt und jeder Ältere wird sich an sie aus seiner Schulzeit erinnern. 1943 entstand aus den beiden Dörfern die Gemeinde Braunsbedra, die 1993 Stadtrecht erhielt und heute 6 Ortsteile umfasst. Braunsbedra liegt bei Merseburg und zählt zum Geiseltal, das sich während drei Jahrhunderten Braunkohlebergbau massiv verändert hat und zur Zeit als große Seenlandschaft einen gänzlich neuen Reiz erlangt.

Der Erbauer des Laufrades, Michael Kaßler, lebte von 1733-1772 in Braunsdorf, welches zur Herrschaft Bedra gehörte. Nach der im Geiseltal bekannten Überlieferung war er Bauer und Stellmacher und galt als vielseitig und geschickt. Offenbar wiederholt verspätet erschienen, wenn ihn seine Herrschaft rief, handelte er sich den Anranzer ein: „Mache er sich Räder unter die Beine, dann ist er schneller…“. Da Not erfinderisch macht, gelang ihm 1761 der Bau eines Laufrades, das sich mehr als geschickte Kombination bekannter Dinge aus seiner alltäglichen Arbeitswelt denn als Erfindung darstellt. So fällt hinten deutlich die Ähnlichkeit mit einer damaligen Schubkarre, vorn die Bauweise einer wendigen Kutsche ins Auge. Auch die nur an seinem Rade zu findende Steuerung des Vorderrades mittels zweier Lenker ist aus seinem bäuerlichen Alltag erklärbar.

Derart bodenständig besitzt dieses Laufrad kaum Vergleichbares gegenüber jenen Laufmaschinen, die ab 1817 in der Ära der Draisinen entstanden sind. Es ist z. B. wesentlich größer, schwerer und gröber gebaut als jene und wäre auch nicht für die Bedürfnisse dieser Zeit geeignet gewesen, z. B. Ersatz für ein Pferd oder Sportgerät für die Besserstehenden zu sein. Versetzt man sich in Michael Kaßlers Alltag als Bauer und Handwerker, wird die Konstruktion seines Laufrades gut verständlich. So plausibel und glaubhaft, wie sich heute seine Entstehung nachvollziehen lässt, scheidet wohl ein Nachbau aus. Und seine bodenständige Konstruktion, der ganz individuelle Zweck und die eigenständige Gestalt machen glaubhaft, dass das Laufrad des Michael Kaßler sehr wohl als Einzelstück, unabhängig von anderen Entwicklungen und durchaus zu einer anderen Zeit als die Draisinen entstanden sein kann.

Ebenso berechtigt können wir die zum Laufrad und zu seinem Erbauer überlieferten Erinnerungen glaubwürdiger alter Braunsdorfer Einwohner als zutreffend annehmen. Unter den Vorläufern des Fahrrades blieb es bis 1904 ein nur in seiner Heimat bekannt gewordenes Einzelstück, das sich aber dank einer Vorderradgabel mit Lenker schon so wie ein Fahrrad lenken und balancieren ließ. Es ist heute nicht mehr das Gefährt, das viele Rätsel aufgibt, wie es bislang in der Fachliteratur von Buch zu Buch heißt, sondern es berechtigt zu der Annahme, dass auch das Fahrrad durchaus mehrfach erfunden worden sein kann.


Stadt Braunsbedra


Braunsdorfer Heimatverein

Auch der Braunsdorfer Heimatverein 87 e.V. ehrt die Pioniertat Michael Kaßlers mit der Abbildung eines Rades in seinem Wappen.
2011 wurden das Laufrad und seine Geschichte in einer Fortsetzungsreihe im Braunsbedraer „Bote des Geiseltales“ und Müchelner „Geiseltal-Echo“ ausführlich wieder in Erinnerung gerufen und der Bau des Laufrades vor 250 Jahren als Bestandteil der Heimatgeschichte gefeiert. Eindrücke vom Jubiläumsjahr, das auch mit einer Ausstellung „Stationen der Fahrradgeschichte“ des Deutschen Fahrradmuseums Bad Brückenau verbunden war, finden Sie unter dem speziellen Link.

Das Laufrad des Michael Kaßler verdient weitere Aufmerksamkeit und ist Motivation für weiteres Forschen, vor allem im Schrifttum seiner heimatlichen Saale-Unstrut-Geiseltal-Region. Und es ist geplant, später eine Materialsammlung auf DVD zusammenzustellen. Falls Sie diese Vorhaben unterstützen oder etwas zur Historie dieses Laufrades mitteilen möchten, würden sich die Organisatoren sehr freuen, mit Ihnen über die in den Websiten www.braunsbedra.de oder www.kaßler-laufrad.de > Kontakte genannten Verbindungen ins Gespräch zu kommen.
Siehe auch:
> Das Jubiläum